Geschichte der Blutegeltherapie

Im Folgenden möchte ich Ihnen tabellarisch die Geschichte der Blutegeltherapie aufzeigen:

1500 v. Chr.Darstellungen der Blutegeltherapie in Pharaonengräbern (Ägypten).

1300 v. Chr.: Anleitungen zur Blutegeltherapie in Sanskrit-Schriften (Indien). Dhavantari, der mythische Arzt der traditionellen indischen Medizin, wird mit Nektar-Gefäß in der einen Hand und Blutegel in der anderen Hand dargestellt.

150 v. Chr.: Beschreibung der Blutegeltherapie durch Nicandros von Kolophon (Alexipharmacia).

50 v. Chr.Römische Schriften zum Vorgehen bei Blutegeltherapie. Griechische Anleitung zur Blutegeltherapie (Themison).

150 n. Chr.Schrift des römischen Arztes Galen zu Blutegeltherapie und Aderlass (Konzept des Ausgleichs der Körpersäfte/ Humoralmedizin).

1000 n. Chr.„Leecher“ (nach leech = Blutegel) wird in England synonym für „Arzt/Heiler“ verwendet.

1799: Blutegeltherapie plus Aderlass bei Kehlkopferkrankung von George Washington.

1800 – 1850: Exzessive Anwendung  von Blutegeln in Europa und USA, später als „Vampirismus“ bezeichnet (z.B. bis zu 80 Blutegel  pro Sitzung, insgesamt 42 Millionen Blutegel im Jahr 1833 in Frankreich. Exporte von Blutegeln aus Europa nach USA wurden wegen drohender Ausrottung der Tiere reduziert (Ausfuhrvolumen Blutegel von Deutschland nach USA: 30 Millionen).

1884-1986: Haycraft entdeckt 1884 die gerinnungshemmende Wirkung des Blutegelspeichels. Die Wirksubstanz wird 1904 chemisch identifiziert und als Hirudin in Anlehnung an die Species-Bezeichnung des Blutegels (Hirudo) bezeichnet.  1955 Isolierung und Produktion von Hirudin aus dem Blutegelspeichel zur medizinischen Verwendung als Gerinnungshemmer (Markwardt). 1986 Zulassung des gentechnologisch hergestellten Hirudin (REFLUDAN ®) als Antikoagulans.

1920-1940: In Deutschland wieder verstärkter Einsatz der Blutegeltherapie im Rahmen der Naturheilkunde (Aschner, Bottenberg) und zur Verhinderung postoperativer Thrombosen und Embolien.

Seit 1970: Renaissance der Blutegeltherapie (Europa/USA) im Zusammenhang mit der Anwendung bei chirurgischen Indikationen (venöse Stase, Nekrose-Gefahr) und in der Orthopädie (Arthrosen, Hämatome, Sehnenentzündungen, Rückenschmerzen).

2005: Blutegel werden in Deutschland als Fertigarzneimittel eingestuft und sind, wie alle diese Arzneimittel, zulassungspflichtig. Im Zulassungsverfahren müssen Arzneimittel die Sicherheit, die Wirksamkeit und die Qualität nachweisen. Bis zum August 2012 ist das Zulassungsverfahren für medizinischen Blutegel noch nicht abgeschlossen worden.

Regionale Unterschiede in der Anwendung der Blutegeltherapie

In Russland blieb die Blutegeltherapie kontinuierlich ein etablierter Bestandteil der Medizin (Verwendung auf dem Land ebenso wie in Blutegeltherapie-Stationen in den Krankenhäusern). In Europa und USA verlor dagegen die Blutegeltherapie ihren Stellenwert in der Medizin ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit dem Aufkommen von Bakteriologie, Pharmakotherapie und Gerätemedizin.

In einer Reihe europäischer Länder (Deutschland, Österreich, Schweiz, Frankreich, England) und in USA wird jedoch seit ca. 1970 die Blutegeltherapie wieder zunehmend eingesetzt. In den südeuropäischen Ländern (Italien, Spanien, Griechenland) war und ist die Blutegeltherapie unpopulär, während diese Therapieform z.B. in der Türkei traditionell verankert und auch heute weit verbreitet ist.

In einigen asiatischen Ländern wird die Blutegeltherapie traditionell eingesetzt (Indien, Malaysia, Indonesien), während in China die konventionelle Blutegeltherapie nicht geläufig ist, dagegen aber Therapien mit Blutegel-Extrakten (Pulver, Mixturen) eingesetzt werden.